Teil 3: Literatur in der Liquid Lounge.
Die erste öffentliche Lesung, Bewährungsprobe für Walter X. Zumindest in meinen Augen. Ich hatte die Nacht davor sogar schlecht geschlafen, meinem Marschgepäck Deodorant und ein Handtuch beigefügt. Wobei man ein Handtuch immer gut gebrauchen kann. Dabei war ich schon Wochen vorher mit Alex aus Speyer in den Örtlichkeiten gewesen, hatte Pablo, dem Besitzer, sogar ein Exemplar des Buches gegeben und zehn Euro wie lobende Worte zurückbekommen. Nun ja, alles eine Sache der Perspektive. Wie auch der Ort der Lesung, die Liquid Lounge in Speyer.
Typischer Laden, um mal ein schnelles Bier zu trinken, bevor man ernsthaftere Abendunternehmungen angeht. Sollte so etwas denn mal möglich sein in der Domstadt. Direkt an der Hauptstrasse gelegen, im ersten Stock über der örtlichen Fielmann-Filiale. Gemütliche Innenausstattung mit Couches, Sitzgruppen, gedämmtem Licht und leiser Ambientmucke. Im rot tapezierten Hinterraum drei Billardtische. Ein Beamer stand zur Verfügung, das Mikrofon mussten wir selbst mitbringen. Tat dann glücklicherweise Daniel, samt Tischständer, so dass ich mich fast schon wieder wie ein Profi fühlte, als ich um kurz nach halb Sechs zusammen mit Alex einen kleinen Soundcheck durchführte. Der Beginn des Abends war zeitig auf 18 Uhr angesetzt, da unter der Woche und vor der Champions League. Wir waren bereits um 16 Uhr in Heidelberg gestartet, mit einem Karton voller Bücher und einem Auto, netterweise gefahren von Kira, Nicolas’ Freundin. Darin noch Max, in Brot&Kunst-Shirt, Fenja, in Brot&Kunst-Shirt, ein Flachmann mit Chantre und natürlich ich.
In Speyer dann. Das Mikrofon stand, die beiden Texte von Alex waren grob grammatikalisch in Ordnung gebracht, es galt nur noch den Laptop auf dem an der Decke hängenden Beamer zu balancieren und eine Endlosschleife mit den Videos zu starten, die wir vorbereitet hatten. Zeitrafferaufnahmen von Tagesabläufen in New York, sehr szenisch mit Sonnenauf- und Sonnenuntergängen über dem Central Park und hinter der Brooklyn Bridge.
Max gelang es dann nach langem Hin und her die passenden Bilder auf die Leinwand zu werfen, ich war derweil souverän angetrunken. Neben mir sollten an diesem Abend auch noch Roland Straub, Autor unserer zweiten Veröffentlichung namens Nachthunde, und Johanna Schließer, lesen. Alex Uhrig, Künstlername Rifatus, wollte zwei Sechzehnzeiler beisteuern. Roland war pünktlich vor Ort, doch Johanna hatte es sich in den Kopf gesetzt, unbedingt noch eine neue Geschichte zu schreiben, eine Weiterführung des Schicksals des Tanzenden Indianers, und auch nur deshalb hatte ich ihr den ganzen Vortag über und selbst noch am Morgen dabei geholfen, mir allerlei biografische Details ausgedacht und ihr Mut gemacht.
Scheinbar nicht genug Mut, denn um halb Sechs trudelten die ersten verzweifelten Kurznachrichten ein, ein klärendes Telefonat brachte dann schließlich ein wenig Ruhe und die frischgebackene Autorin auch eine halbe Stunde später zu uns. Moe der Frisör schaute ebenfalls kurz vorbei, mit Sonnenbrille und Hund. Der Hund hatte eine rote Schwanzspitze und fühlte sich sehr heimisch, trug ungemein zur Atmosphäre bei und aß sogar aus den Schalen mit den Erdnüssen, die auf den Tischen standen.
Um 18 Uhr konnte die Show beginnen, doch war das Publikum noch nicht zahlreich genug erschienen. Ich wusste vom Zwischenstand der Hasslocher, denn Rolf hatte mich noch angerufen und nach Tabak gefragt, wollte welchen an der Tankstelle holen und ich war gewillt, bis halb Sieben auf die beiden Autos zu warten. Das lohnte sich dann auch, die Mädchen und Jungs kamen slightly overdressed aber guter Dinge, wir bestellten uns jeder noch ein Getränk, genehmigten uns eine kurze Raucherpause, dann ging es los.
Die Moderation wollte ich übernehmen. Was heißt wollen, es gab keine wirklichen Alternativen, außer Alex, aber der musste zeitig gehen um den Nachtdienst in der Jugendherberge anzutreten. Also fand ich mich vor dem Mikrofon, ungefähr dreißig mir mehr oder weniger gut bekannten Gesichtern entgegenblickend und versuchte, meine Unsicherheit mit Wortschwällen und Weizenbier zu kaschieren. Das klappte ganz gut und die Leute waren sehr klatschfreudig, was geschickt ausgenutzt wurde, um erst den von der Toilette zurückkehrenden Max zu begrüßen, dann Ronnie, der stilgerecht in Brooklyn Dodgers-Shirt auftauchte. Ich gab Shoutouts an den Barbetreiber, auch um mir mein Freibierrecht zu erhalten, an jeden, der ausgeholfen hatte, an jeden, der da war, dann war es genug.
Alex übernahm und trug einen Sechzehnzeiler Accapella vor. Den preisgekrönten Text des letzten Lesewettbewerbs im Zapfhahn 7 im Mai, der ihm immerhin Aufmerksamkeit seitens der lokalen Presse eingebracht hatte. Danach gab er das Mikrofon wieder an mich ab, wollte, dass ich lese. Und zwar den Roman, keine Chance. Ich bat ihn, den zweiten Text noch zu lesen, verstand seine Zurückhaltung sofort, denn es wurde sehr emotional und er bekam den ihm gebührenden Applaus.
Danach war Roland an der Reihe, der kam souverän nüchtern mit neuen weißen Segeltuchschuhen angeschlurft und begann, seine Gedichte vorzutragen. Das geschah wie immer äußerst stilvoll und ich beneidete ihn ein wenig um seine Routine, wohl wissend, dass mir der eigentlich harte Teil des Abends noch bevorstand. Er las vielleicht zwei Dutzend Gedichte und bedankte sich noch einmal bei mir, als ich ihn am Mikrofon verabschiedete. Dann bat ich Johanna nach vorne, um ihren ersten Text, eine Erinnerung aus ihrer Zeit in Dublin, betitelt „Invalid love“, vorzulesen.
Johanna las das Stück ruhig und gefühlvoll, mit der ihr eigenen charismatischen Schüchternheit und die Prosa fand Wohlwollen unter allen Zuhörern, besonders den Weiblichen die im Nachhinein den fast als Anklage verpackten Wunsch äußerten, doch auch mal ein Buch von ihr kaufen zu können. Nach dieser Kurzprosa stand der Hauptteil des Abends, die Präsentation von Walter X, auf dem Programm und ich hielt es für sinnvoll, eine kleine Pause im Vorfeld einzulegen.
Dann war es an der Zeit für den Roman und ich nahm mir ein Buch aus dem immer noch unberührten Stapel an Verkaufsexemplaren. Ich gab eine kurze Einführung zu den Protagonisten und den Vorgeschichten des Romans, doch verlor mich in irgendwelchen Details und brach dann ab, nachdem ich merkte, dass ich damit nur die Zuhörer und letztlich auch mich verwirrte. Ich begann mit dem ersten Kapitel und las mich vorbildlich bis zum zweiten Tag. Diesen übersprang ich, da ich mir dachte, es würde genügen mit dem dritten Tag weiterzumachen, denn der Fokus sollte an diesem Abend sowieso auf dem Tanzenden Indianer liegen. Der dritte Tag las sich ebenso leicht wie der erste Tag, doch merkte ich auf halbem Weg, dass ich die Langatmigkeit dieses Kapitels wohl ein wenig unterschätzt hatte. Auch sah ich aus dem Augenwinkel, wie sich mehr und mehr Plätze leerten und fasste dies natürlich in erster Linie als Kritik an mir und meiner Prosa auf, was mich beträchtlich verunsicherte. Ich schaffte es dennoch halbwegs routiniert bis zum Ende der Supermarktszene, dann brach ich ab und kündigte eine kurze Pause an.
Bevor ich noch zum Austreten verschwinden konnte, trat schon Roland an mich heran und gab mir in der ihm eigenen unendlichen Rücksichtnahme den Rat, dass mein Talent für das Ausformulieren von Charakteren und deren Psychogrammen außerordentlich sei, ich aber vielleicht mehr darauf achten sollte, Maß zu halten, da die Aufmerksamkeitsspanne der Zuhörerschaft doch arg strapaziert worden sei und nicht viele deshalb eigenständig eine Raucherpause eingelegt hätten. In der Pause trat ich leicht reuevoll an verschiedene Gruppen von Rauchenden heran, achtete aber auch darauf, die Disziplin zu wahren und kündigte das letzte, diesmal handlungslastigere, Kapitel an. Der Raum war wieder halbwegs gefüllt, ich nahm mein drittes Weizenbier und meinen Platz am Mikrofon ein, begann, vom Schicksal des Tanzenden Indianers zu berichten und traf auf einige geschockte Gesichter von Leuten, die noch nicht so weit im Roman gekommen waren. Aber was waren sie dann überhaupt auf die Lesung gekommen, selbst dran Schuld und die Legende des Tanzenden Indianers nahm ihren Lauf.
Kurz vor dem von mir wie den Zuhörern herbeigesehnten Ende der Walter X-Lesung wurde ich dann durch den Zwischenruf „Bullerei“ auf zwei Polizisten aufmerksam, die sich im Türbereich in auffälliger Zurückhaltung übten, mich aber dennoch ziemlich aus meinem fragwürdigen Konzept brachten. Mein erster Gedanke war, dass wir zu laut wären und ich war kurz versucht, ihnen das Mikrofon zu überlassen, doch sie hatten auch schon so genug Aufmerksamkeit und brachten daraufhin ihr Anliegen vor. Sie fragten, ob denn jemand wisse wer das orangefarbene, als geklaut gemeldete Rad vorm Eingang gefahren habe. Auf diese eher rhetorische Frage bekamen sie nur negative Antworten und verschwanden ebenso überraschend wieder, wie sie aufgetaucht waren.
Nun war die Bühne endlich frei für Johanna, die ihren neuen Text live von ihrem Laptop vortrug. Die Story der jungen Bestatterin, die den Auftrag hat den Leichnahm des Indianers samt dessen weniger Habseligkeiten in das Reservat seiner Mutter zu überführen, war an Dramatik kaum zu überbieten, besonders weil sie eindeutige Parallelen zu Johannas erstem Text aufwies, nicht zuletzt die Anspielung auf eine verlorene Liebe und den Kieselstein. Acht Minuten später war auch diese Geschichte erzählt und ich beendete sachlich knapp den Abend, eine Minute vor Anstoß der Champions League.
Und an Stelle der Shoutouts gibt es noch ein kleines Bonusvideo, das epische Intro der Lesung inklusive haufenweise Slapstick und Leuten, die ins Bild laufen:
Sehr schön Florian,ich bedanke mich nochmals für den tollen Abend. Weiterhin viel Erfolg.... gerne stelle ich meine Wohnung zur Verfügung um den nächsten Abend zu gestalten. Lg Regina
AntwortenLöschenbedarfs einer einleitung? ''bitte`` ja ok wenn ich schonmal dabei bin und mein redebrett hab geil:D probs von donnie zum dala
AntwortenLöschen