Dienstag, 23. Juni 2015

Landauer Tagebuch | Erster Eintrag | MO, 15. Juni 2015

Wie der geneigte Blogleser -- teuer Begleiter in Anbetracht des kargen Outputs hier -- vielleicht mitbekommen hat, waren wir in der dritten Juniwoche an insgesamt vier Tagen auf der Landesgartenschau in Landau unterwegs. Um das zu dokumentieren und unseren Verlagsblog ein wenig regelmäßiger mit Updates zu versorgen, haben wir ein kleines Tagebuchprojekt gestartet: verschiedene Kumpanen schildern ihre Eindrücke.

Los geht es mit unserem ersten Tag, an dem dankenswerterweise Alexander M. Neumann motiviert und anwesend war, sodass er auch seine Erinnerungen daran verschriftlichen konnte:
Montag, 15. Juni 2015, 12 Uhr
Ich zersäge die Ketten, die man mir im Büro angelegt hat und flüchte, bevor jemand meine Abwesenheit bemerkt. Frei! Ich lasse die Zahlenwelt hinter mir und reise dem Reich der Wörter entgegen, muss aber schnell feststellen, dass noch eine Menge Hürden auf mich warten, um dahin zu gelangen.  


Das erste Hindernis auf meiner Reise besteht darin den Eingang zur Landesgartenschau zu finden. Ich weiß, ich komme aus Landau und die Landesgartenschau hat bereits im April Eröffnung gefeiert. Ich sollte wissen, wo es lang geht. Aber mich interessieren eben nur Blumen, die in meinem Kopf wachsen. 
Ich parke auf dem Messegelände, strecke dem Parkautomaten den Mittelfinger entgegen, weil er Desinteresse an meiner EC-Karte zeigt und folge den Schildern, die mir den Weg zum LGS Gelände weisen. 
Meine Planlosigkeit, die ich gerne auch Improvisationsvermögen nenne, bedankt sich mit einem zähen Fußmarsch unter der glühenden Sonne. Schließlich finde ich den Eingang und erkläre der Kleinen am Ticketschalter, dass ich Künstler bin und auf der Landesgartenschau eine Lesung halten werde und dass sie mir gefälligste meine Freikarte geben soll. Sie schickt mich auf die andere Seite zur Geschäftsstelle und der Fußmarsch findet kein Ende. 


Bei der Geschäftsstelle angekommen treffe ich auf Constanze, die gerade ihre Freikarte abholt. Zusammen betreten wir das Gelände und wandern ratlos umher, auf der Suche nach den Kumpanen. Freddys gelocktes Haupt weist uns schließlich den Weg. 


Unsere Räumlichkeit liegen gegenüber der großen Sparkassenbühne in einem alten Bauwerk mit Stahltüren und ich frage mich, wie ich das metaphorisch auslegen soll. Das Geld gehört auf die große Bühne, die Kunst gehört in ein Loch, wo sie hoffentlich niemand findet. 
Jedenfalls geben wir alles und versuchen aus dem tristen Bau einen Kunstraum zu schaffen. Enthusiasmus, Engagement und Begeisterung kollidieren mit Zweifel, Enttäuschung und Resignation. Eine zwiespältige Stimmung liegt in der Luft. Man weiß nicht, ob man alles hinwerfen und gehen oder ob man alles aus sich herausholen und seine kreative Ader entfalten soll. 


Ich halte meine Gedanken mit Cappuccino und Spaziergängen auf Trapp. Der Kleinen am Infostand im Nebenraum erkläre ich, dass sie doch später um 16 Uhr zur Lesung kommen soll. Sie schaut mich aber nur erschreckt an. Hat wohl nicht erwartet, dass sie jemand ansprechen wird. 
Den ganzen Tag über kommen vereinzelt Besucher der Gartenschau an unserem Kunstraum vorbei, bleiben kurz stehen und schauen umher, um herauszufinden, ob es tatsächlich etwas Interessantes zu sehen gibt, beschließen dann aber, dass dem nicht so ist und ziehen weiter in einem müßigen Gang; so müßig wie auch ihr Verstand gehen muss. 
Manche von den Besuchern, alle bereits im Rentenalter, lade ich dazu ein zu unserer Lesung zu kommen und versuche sie davon zu überzeugen, der Kunst das Herz zu öffnen. Aber sie haben wohl Angst ich wolle ihnen etwas verkaufen und so lehnen sie mit geschickten Formulierungen ab, ohne dabei nein zu sagen. 
Wir sollten ein Warnschild aufstellen, auf dem steht: ACHTUNG, KUNST! Sehr gefährlich… 
Kurz nach 16 Uhr betreten wir mit ein paar Minuten Verspätung die Bühne. Sieben Poeten sitzen in einer Reihe und warten darauf ihr Herzblut zu vergießen, in der Hoffnung, dass Ohren es auffangen und in sich aufsaugen. Neben ein paar Angehörigen und Freunden, sind tatsächlich drei neugierige Besucher gekommen. Vielleicht haben sie nur Platz gesucht, um einen Moment auszuruhen. 


Reihum tragen wir abwechselnd unsere Kopfblumen vor. Freddy Mork zuerst, gefolgt von Paul Blau, Constanze, Felix (der heimlich auf der Toilette geprobt hat und seinen Text frei vorträgt), Florian (aus dessen Haltung mehr Resignation als Enthusiasmus sprießt), Alex und Lisa, die Probleme mit ihrem Mac hat und daher die ersten Runden aussetzen muss. 
Um 18 Uhr beenden wir die Lesung, bedanken uns bei den wenigen Zuhörern und entlassen sie in den Abend. Uns selbst platzieren wir in einem Stehkreis vor den Stahltoren, die unseren Kunstraum verschließen, um dort den Rest Wein zu trinken und über die Kunst zu diskutieren und unser Dasein, um Pläne zu schmieden, Träume zu gebären und auf Liegestühlen zurückgelehnt wahrzunehmen, wie die Luft kühler und kühler wird.


Soweit mein Bericht zum ersten Tag von Brot & Kunst auf der Landesgartenschau 2015 in Landau. Eigentlich mag ich keine Berichte. Schon gar nicht, wenn es kaum etwas zu berichten gibt. Ich schaue lieber in die Zukunft und träume davon, was auf uns zukommen wird. Vielleicht finden wir auf der Landauer Gartenschau kaum Beachtung. Vielleicht verschwinden wir irgendwo im Zwischenraum, darauf wartend, dass uns jemand findet. Aber vielleicht schweißt uns dieses Projekt auch enger zusammen. Vielleicht ist diese Woche der zaghafte Schritt in eine neue Zukunft, die nicht nur für uns Kumpanen bedeutsam ist, sondern auch für die Kunst… die KUNST… DIE KUNST!!! Danke Florian.

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